Weitere Ergebnisse zur Messung des Beitrages des Tourismus zur Lebensqualität der Deutschen
Wie schätzen die Deutschen ihre Lebensqualität ein und welchen Beitrag leistet der Tourismus im eigenen Wohnort zur wahrgenommenen Lebensqualität – mit diesen zentralen Fragestellungen beschäftigt sich das Projekt Lebensqualität und Tourismus des Deutschen Instituts für Tourismusforschung der Fachhochschule Westküste. Nach einer Pilotstudie im Herbst 2022 erfolgte im Frühjahr 2023 eine Wiederholungsmessung mit erweiterter Methodik und Stichprobe. Insgesamt wurden 11.950 Deutsche ab 16 Jahren zu ihrer Lebensqualität befragt. Die Ergebnisse der repräsentativen Bevölkerungsbefragung wurden für bundeslandspezifische sowie bundesweite Analysen möglicher Einflussfaktoren auf die wahrgenommene Lebensqualität mittels multipler Regressionsanalysen genutzt. Außerdem führte das Deutsche Institut für Tourismusforschung eine Benchmark-Analyse der zwölf teilnehmenden Bundesländer durch. Die Ergebnisse bestätigen die Subjektivität und Kontextabhängigkeit des komplexen Lebensqualitätskonstruktes. Die vergleichenden Analysen ermöglichen die Identifikation von Optimierungspotentialen und die Ableitung von Handlungsempfehlungen.
Das übergeordnete Ziel der Durchführung der Wiederholungsmessung war die Validierung und Verstetigung der Ergebnisse aus der Pilotstudie 2022, insbesondere der Ergebnisse der explorativen Regressionsanalyse auf Bundesebene. Zudem sollten Aussagen zur wahrgenommenen Lebensqualität, verschiedenen Aspekten der allgemeinen Lebenssituation, den wahrgenommenen Auswirkungen des Tourismus, der Identifikation mit dem eigenen Wohnort sowie der gewünschten Einflussnahme auf die touristische Entwicklung im eigenen Wohnort auf Bundeslandebene ermöglicht werden. Auf Basis der Wiederholungsmessung sollte somit die Entwicklung eines Ansatzes zur Messung des Beitrages des Tourismus zur wahrgenommenen Lebensqualität der Einwohner:innen weiter vertieft werden. Die umfangreiche Wiederholungsmessung war ein wichtiger Schritt, um dieses Ziel zu erreichen. Hierzu wurde die Onlineumfrage um telefonische Interviews ergänzt, so dass auch die Bevölkerung über 74 Jahren erreicht werden konnte. Mit Stichprobenboosts wurden aussagekräftige Ergebnisse für zwölf teilnehmende Bundeländer generiert, in einem Benchmark gegenübergestellt und vergleichbar gemacht. Die Ergebnisse sind jeweils repräsentativ für die in der betrachteten Destination (Deutschland gesamt, Bundesland gesamt) ortsansässige Wohnbevölkerung ab 16 Jahre und gewichtet nach Geschlecht, Alter, Wohnort und Schulbildung. Wie in der Pilotstudie wurden je betrachteter Destination mittels multipler Regressionsanalyse Einflussfaktoren auf die Lebensqualität der Deutschen identifiziert.
Auf einer Skala von „0= sehr niedrige Lebensqualität“ bis „10= sehr hohe Lebensqualität“ gaben insgesamt 46 % der Deutschen an, eine (sehr) hohe Lebensqualität wahrzunehmen (Antwortoptionen 8-10). Die Ergebnisse auf Bundeslandebene machen deutlich, dass es statistisch signifikante Unterschiede in der wahrgenommenen Lebensqualität gibt. So schwanken die dortigen Zustimmungswerte zur einer (sehr) hohen Lebensqualität zwischen 32 % und 51 %. In Bezug auf die verschiedenen Aspekte der allgemeinen Lebenssituation wurde deutlich, dass die Wichtigkeit der einzelnen Aspekte zwischen den Bundesländern nur wenig variiert. Deutliche Unterschiede sind jedoch bei der Zufriedenheit mit einigen Aspekten erkennbar. Im Vergleich der Top-2 Werte für die Zufriedenheit mit dem Angebot an Restaurants und Cafés ergab sich zum Beispiel eine Differenz von 35 Prozentpunkten zwischen dem Bundesland mit dem höchsten Top-2 Wert in dieser Kategorie (73 %) und dem Bundesland mit dem niedrigsten Wert (38 %). Im Falle der Zufriedenheit mit dem Freizeit- und Kulturangebot konnte eine Spannweite von 32 Prozentpunkten ermittelt werden. Verhältnismäßig ausgeglichen sind die Zufriedenheiten mit Naherholungs- und Aufenthaltsmöglichkeiten in der Natur. Dieser Aspekt ist in nahezu allen Bundesländern sowie auf Bundesebene der Aspekt mit der höchsten Zufriedenheit und die Top-2 Werte schwanken zwischen 81 % und 65 %.
Die Ergebnisse der multiplen Regressionsanalyse zeigen, dass sich auf Bundesebene 39 Einflussfaktoren (Prädiktoren) identifizieren lassen, die zusammen 31 % der wahrgenommenen Lebensqualität erklären. Auffällig ist dabei, dass es insbesondere Aspekte der Identifikation mit dem eigenen Wohnort sind, die die wahrgenommene Lebensqualität der Deutschen positiv beeinflussen. Das Gefühl in einem besonderen Ort zu wohnen, den man gerne mit anderen teilen möchte, starke gemeinschaftliche Verbundenheit sowie die Möglichkeit sich zu engagieren, sind die drei Aspekte mit dem höchsten Einfluss auf die wahrgenommene Lebensqualität. Auch tourismusrelevante Aspekte konnten als Treiber der wahrgenommenen Lebensqualität der Deutschen identifiziert werden. Nehmen Einwohner:innen die Auswirkungen des Tourismus auf sich persönlich als positiv wahr, liegt also eine hohe Tourismusakzeptanz persönlich vor, so trägt dies zu einer Steigerung der Lebensqualität bei. Auch die Wahrnehmungen darüber, dass der Tourismus für Investitionen sorgt, es ein vielfältigeres Angebot an Restaurants und Cafés gibt oder es einen wichtigen kulturellen Austausch mit den Gästen im Wohnort gibt, tragen zur Verbesserung der Lebensqualität bei. Werden hingegen beispielsweise Belastungen der Umwelt durch den Tourismus erkannt oder eine hohe Kontakthäufigkeit mit Tourist:innen im eigenen Wohnumfeld wahrgenommen, so hemmt dies die eigene Lebensqualität. Die Ergebnisse zeigen klar auf, dass der Tourismus neben anderen Faktoren eine treibende aber auch hemmende Wirkung auf die wahrgenommene Lebensqualität der Deutschen haben kann und insbesondere die Stärkung der Akzeptanz sowie Minimierung von negativen Auswirkungen des Tourismus nicht nur zur positiven touristischen Entwicklung beitragen kann, sondern auch zur Lebensqualität der Einwohner:innen. Auch für die zwölf teilnehmenden Bundesländer wurden Regressionsanalysen zur Identifikation der treibenden bzw. hemmenden Faktoren der wahrgenommenen Lebensqualität der Einwohner:innen durchgeführt. Auf Basis der umfangreichen statistischen Analysen konnte kein zentraler Prädiktor identifiziert werden, der in allen Bundesländern gleichermaßen zur Lebensqualität beiträgt. Vielmehr werden die Komplexität und Kontextabhängigkeit des Lebensqualitätskonstruktes deutlich. Die Ergebnisse der multiplen Regressionsanalysen zeigen jedoch auf, dass Aspekte der Identifikation mit dem eigenen Wohnort, insbesondere der Wohnortstolz und die Verbundenheit mit dem Wohnort, in einer Vielzahl an Bundesländern wichtige Einflussfaktoren der Lebensqualität der Einwohner:innen sind.
Als nächste Schritte sind für das Projekt eine weiterführende Untersuchung zum Thema Identifikation und Verbundenheit sowie tiefere Einblicke in den Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit vorgesehen. Dabei soll insbesondere der städtische Kontext näher beleuchtet werden.